Forschung
Und was sie kritisch, lebensweltorientiert
und partizipativ macht
Das TRAUERFORSCHUNGSINSTITUT kleine BLUME e.V. ist das erste Institut in Deutschland, das sich außeruniversitär der sozialwissenschaftlichen, nationalen sowie internationalen Erforschung von Verlusten und Trauer in all ihren möglichen, lebensweltlichen Facetten zuwendet. Als ein in Hannover ansässiges Forschungsinstitut ist es so ausgerichtet, dass regionale Forschungs- und Praxisperspektiven hinsichtlich des Umgangs mit Verlusten und Trauer in Niedersachsen eine kontinuierliche Beachtung finden.
Mit dieser Forschungsprogrammatik versteht sich das TRAUERFORSCHUNGSINSTITUT kleine BLUME e.V. als eine Stimme für Menschen, deren Lebensalltag von Verlusten und Trauer geprägt ist.
Unsere Forschung ist kritisch, weil wir annehmen, dass sich Herausforderungen mit der Vergänglichkeit und mit der eigenen Trauer unter denkbar anderen gesellschaftlichen Bedingungen, Geisteshaltungen und menschlichen Umgangsweisen anders, möglicherweise gar nicht als Herausforderungen zeigen würden. Insofern gehen wir davon aus, dass soziale Alternativen und Optimierungen erschlossen werden können, wenn wir uns mit den Menschen unterhalten und uns multidisziplinär und -professionell begegnen. Gleichzeitig sind wir achtsam bei normativen Vorstellungen und Ansprüchen, die in ihrem Verharren immer auch nachteilige und ungemütliche Konsequenzen für Trauernde bedeuten können. Kritisch auf Trauer und ihre Wege zu blicken heißt auch, zu reflektieren, wie aktuelle Trauer biografisch weit zurückreichen und mit historischen Verhältnissen und Tragödien – ein Leben lang – verwoben sein kann.
Unsere Forschung ist lebensweltorientiert ausgerichtet, weil wir die Umgangsweisen mit der Vergänglichkeit und Trauer im lebensweltlichen Alltag der Menschen beobachten (können). Diese Umgangsweisen formen sich zu vielfältigen Herausforderungen der Lebensbewältigung, die wir in ihrer Individualität und Vielfalt sichtbar machen möchten.
Unsere Forschung ist teilweise auch partizipativ, weil wir dafür sorgen möchten, dass Menschen in Trauer mit ihren Themen, Anliegen und Bedürfnissen (als Co-Forscher*innen) gehört werden. Ihre Anliegen können, wenn sie dies möchten, durch Forschung sichtbar werden und in den einzelnen Systemen der Gesellschaft diskursiv Veränderungen auf den Weg bringen. Unsere Forschung bewegt sich damit immer auch an der Schnittstelle von Wissenschaft, Diskurs und lebensweltlicher Praxis.
»Eine kritische Analyse unserer Gesellschaft muß auch das enthalten, was über sie hinausweist.«
Negt, Oskar: Arbeit und menschliche Würde. 2. Auflage. Göttingen 2002, S. 483
Mehr zum partizipativen Forschen
Weil ein Teil unserer Forschungen partizipativ angelegt ist, können Sie sich gerne überlegen und abwägen, ob Sie mit uns forschen möchten. Ein erstes Forschungsprojekt, an dem Sie gerne und zu jeder Zeit teilnehmen können, bewegt sich im thematischen Rahmen erfahrener Trauer um ein Haustier. Wir stellen uns in diesem Projekt die Frage, wie es sich anfühlt, wenn ein Tier älter wird oder plötzlich erkrankt. Und wir blicken auch auf die vielen Gefühle und Bedürfnisse, wenn ein liebgewonnenes Tier verstirbt. Das Projekt ist lokalisiert in unserem Forschungsfeld »Verluste und das Selbst«.
Möchten Sie sich über die Thematik des Haustiertodes und die damit verbundene Trauer weiter informieren? Dann schauen Sie gerne in die folgenden Veröffentlichungen, die unser Institutskollege Matthias Meitzler M.A. verfasst hat:
- Animalische Avantgarde. Zeitgenössische Kundgaben von Trauer um verstorbene Heimtiere, in: Tierethik. Zeitschrift zur Mensch-Tier-Beziehung 11 (2019), Heft 1, S. 109-133
- Transzendenz und Animalität. Zur Gegenwart und Zukunft des Heimtiertodes, in: Swiss Future 56 (2018), Heft 1, S. 7-10
- Hunde wollt ihr ewig leben? Der tote Vierbeiner – ein Krisentier, in: Ronald Hitzler/Nicole Burzan (Hg.): Auf den Hund gekommen. Interdisziplinäre Annäherung an ein Verhältnis, Wiesbaden 2017, S. 175-200
Gerne geben wir Ihnen hier ein paar grundlegende Informationen über unsere Forschung, in der Sie ein aktiver Teil sein können
Diese Form von Forschung nennen wir partizipativ. Partizipatives Forschen ist gar nicht so neu, zumal es eng verbunden ist mit der Aktionsforschung, auch »Action Research« genannt nach Kurt Lewin, in der Menschen mit besonderen Lebenserfahrungen in Forschung einbezogen wurden, um praxisrelevante Lösungsmöglichkeiten für soziale Herausforderungen zu finden.
Jarg B. Bergold (2013, S. 1) fasst es für uns treffend zusammen, wenn er formuliert: »Im sozialen Miteinander auf Partizipation zu setzen bedeutet anzuerkennen, dass alle Teilnehmenden ihre jeweils eigene Perspektive und Sichtweise haben und dass jede dieser Perspektiven ihre Berechtigung hat.« Den ausführlichen Text von Jarg B. Bergold finden Sie im eNewsletter Wegweiser Bürgergestellschaft 08/2013 vom 10.05.2013 oder unter: https://www.buergergesellschaft.de/fileadmin/pdf/gastbeitrag_bergold_130510.pdf
Deshalb betrachten wir Ihre eigene Perspektive für die Forschung über Trauer (bspw. nach dem Tod eines Haustieres) und Ihren Umgang mit Vergänglichkeit als sehr wertvoll. Denn mit verschiedenen, individuellen Perspektiven können wir gemeinsam zu neuen Erkenntnissen kommen und etwas anstoßen, was bislang vielleicht mit zu wenig Aufmerksamkeit betrachtet wurde.
Partizipatives Forschen heißt also: Wir forschen mit Menschen in Trauer und nicht (ausschließlich) über Menschen in Trauer.
Methodisch bedeutet partizipatives Forschen insofern auch, im Team Entscheidungen zu treffen. Denn Sie sind Expert*innen über Ihre Lebenswelt und wir sind die wissenschaftlichen Expert*innen. Gemeinsam durchdenken wir den Forschungsprozess und differenzieren Forschungsthemen und -ziele aus.
So bewahren wir uns nicht nur eine Offenheit im Feld, sondern vor allem eine Offenheit und Neugierde für alle in Frage kommenden Aspekte und (theoretischen) Betrachtungen etc., die Menschen in Trauerzeiten berühren können.
Damit machen wir gemeinsam sichtbar, was im Kontext von Trauer gesellschaftlich sichtbar sein darf und sollte.
Gerne beantworten wir Ihnen weitere Fragen, die Sie haben. Wir klären Sie ausführlich darüber auf, was es mit partizipativer Forschung organisatorisch, personell, forschungsethisch, methodisch-methodologisch, inhaltlich etc. auf sich hat. Schreiben Sie uns über das Kontaktformular.
Es gibt derzeitig 4 Forschungsfelder am Institut
Trauern in sozialer Ungleichheit
Verluste und das Selbst
Trauern in (un-)empathischer Gesellschaft
Verluste und Biografie
»Ich mache mich polternd und unkonzentriert an meine Arbeit,
und nichts wird gut erledigt, deshalb bringe ich die Worte zum Schweigen und versuche, mich über sie zu erheben; sie können nur von Trauer sprechen oder die Trauer vergrößern und sich bedeutungslos wiederholen. Eine Schwere überkommt mich, ergreift von mir Besitz, und ich gestatte der wortlosen, bleiernen Melancholie nicht nur zu wachsen, sondern heiße sie sogar als Trost willkommen.«
Hamer, Marc: Vom Blühen und Vergehen. Ein Gärtnerleben.
Aus dem Englischen von Brigitte Heinrich. Berlin 2022, S. 382
Multidisziplinäre Kooperationen von Trauerforscher*innen mit verschiedensten Akteur*innen und interprofessionell tätigen Organisationen auf dem Themengebiet von Verlusten und Trauer sind die Grundlage für unsere Forschung.
Um diese Prämisse unserer Forschung umzusetzen, pflegen wir regelmäßige Gespräche sowie nationale und internationale Kontakte mit:
Dem Arbeitskreis Thanatologie
Der Arbeitskreis Thanatologie forscht zu Sterben, Tod und Trauer und stärkt die soziologische Position innerhalb der Todesforschung. Er ist offizieller Arbeitskreis der Sektion »Wissenssoziologie« innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und veröffentlicht das regelmäßige Periodikum »Jahrbuch für Tod und Gesellschaft«.
Weitere Informationen finden Sie hier: www.thanatologie.eu
Dem LÖWENZAHN Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche e.V.
Das LÖWENZAHN-Zentrum ist als gemeinnütziger Verein eine Einrichtung, in der Kinder, Jugendliche und ihre Familien multiprofessionell betreut werden, die den Tod eines nahestehenden Menschen erfahren haben. Ebenso steht das LÖWENZAHN-Team Abschied nehmenden Familien zur Seite, die vom drohenden Verlust eines Angehörigen (z.B. durch eine lebensverkürzende Erkrankung) betroffen sind und sich Unterstützung u.a. in Form von Gesprächen wünschen. Die kostenlosen Angebote für die jeweilige Zielgruppe umfassen Beratung, Einzelbegleitung und Gruppenangebote in Hannover und Umgebung.
Weitere Informationen finden Sie hier: www.loewenzahn-trauerzentrum.de
© Arthur Kaufmann, Flüchtlinge, 1948.
Dem Verlag Edition Memoria – dem einzigen Verlag in Deutschland, der ausschließlich Werke von Exilautor*innen veröffentlicht.
Will man Verluste und die damit einhergehende Trauer in ihrer persönlichen aber auch gesellschaftlichen Tragweite verstehen, so ist es wichtig, zu gewissen Fragestellungen dezidiert geschichtsbetont zu forschen. Aus diesem Grund ist das TRAUERFORSCHUNGSINSTITUT im Gespräch mit dem Hermann Kesten-Preisträger und Kölner Verleger Thomas B. Schumann. Seit vielen Jahren engagiert er sich u.a. als Publizist und Kurator von Ausstellungen dafür, Erinnerungen an die vor dem Nationalsozialismus geflohenen Exil-Autor*innen wachzuhalten. Mit seinem 1995 gegründeten Verlag werden die Werke der ins Exil getriebenen deutschen und jüdischen Autor*innen sowie Künstler*innen sichtbar gemacht; einerseits, um sie und die dahinterliegenden Zeiten nicht zu vergessen und andererseits, um auf verlustgeprägte Schicksale mit unterschiedlichen Ergebnissen aufmerksam zu machen. Unermüdliche Recherchen und Reisen, aber auch persönliche Gespräche, die Thomas B. Schumann mit einigen überlebenden Exil-Autor*innen führen konnte, machen diese Sichtbarkeit möglich.
In Lesungen, die Wissenschaftler*innen des TRAUERFORSCHUNGSINSTITUTS mit Thomas B. Schuhmann veranstalten möchten, werden ausgewählte Werke bekannter und weniger bekannter Exil-Autor*innen vorgestellt. Die Lesungen richten sich an eine interessierte Öffentlichkeit, um entlang von lebensweltlichen Erfahrungen, thanatosoziologischen Fragen oder sozial- und literaturwissenschaftlichen Perspektiven etc. in den Dialog zu folgenden Fragen (und weiteren) zu gehen: Welche Verlusterfahrungen schlummern in und hinter der Literatur von Exil-Autor*innen? An welchen Stellen lassen sich Ausdrücke von Trauer finden?
Möchten Sie mehr über die umfangreiche private Sammlung zur deutschen Exilkultur von Thomas B. Schumann und die Gründung (s)eines Exil-Museums in Bonn erfahren, dann schauen Sie gerne unter: www.edition-memoria.de
Der UNTER EINEM DACH gUG
Seit 2016 unterstützt die UNTER EINEM DACH gUG Menschen mit internationalen Biografien und Fluchterfahrungen beim Ankommen in Hannover. Die Unterstützung basiert auf persönlichen Beziehungen und umfasst verschiedene Angebote wie etwa wöchentlich stattfindende Sprachkurse, Begleitung bei aufenthaltsrechtlichen Fragen, Kommunikation mit Ämtern und vieles mehr. Gleichzeitig werden gemeinsam Zukunftsperspektiven – basierend auf eigenen Expertisen und Interessen – geschaffen, die einen Beitrag zur freien Entfaltung im beruflichen und privaten Leben leisten.
UNTER EINEM DACH schafft Begegnungen und vermittelt in verschiedene Netzwerke der Stadtgesellschaft: beispielsweise in Handwerksbetriebe und Kultureinrichtungen oder in Eventorganisationen für Festivals und Workshops. Ebenso werden eigene Formate wie Kunst- und Kulturprojekte entwickelt; dazu gehört beispielsweise ganz aktuell ein transkulturelles Kochprojekt.
Zudem betreibt UNTER EINEM DACH eine Nähwerkstatt, in der ein internationales Frauenteam nachhaltige Produkte fertigt und kreiert, und so den Wandel in der Textilwirtschaft vorantreibt.
Ein Grundsatz der Arbeit von UNTER EINEM DACH lautet: »Ethische Empörung motiviert unser Handeln gegen Diskriminierung. Wir fordern, dass alle Menschen dort leben und arbeiten dürfen, wo sie möchten und ein freies, selbstbestimmtes Leben mit gleichen politischen, sozialen und ökonomischen Rechten führen können.«
Das TRAUERFORSCHUNGSINSTITUT ist in Kontakt mit UNTER EINEM DACH, um im Bereich von Verlust- und Trauererfahrungen behilflich zu sein. Denn wer Zuwanderungs- und Fluchterfahrungen erlebt hat, hat sehr wahrscheinlich Vertrautes zurücklassen müssen und nicht selten auch liebgewonnene Menschen (unwiederbringlich) verloren.
Insofern ist unser TRAUERFORSCHUNGSINSTITUT kleine BLUME e.V. da, wenn es um das aufmerksame Zuhören im Kontext von Migration und Flucht geht. Wir sind da, wenn in den dafür geschaffenen Räumen des Ankommens Empathie gebraucht wird, weil die Themen Verlust und Trauer präsent sind. Wir sind grundsätzlich da, wenn es im Kontext von fluchtbedingten Verlusten und Trauer darum geht, diesbezügliche gesellschaftspolitische Unterstützungen zu (über-)denken und lösungsorientierte Wege auf Basis unserer Forschungserfahrungen und -ergebnisse zu ebnen.
Weitere Informationen finden Sie hier: www.unter-einem-dach.org
Schauen Sie gerne zu einem späteren Zeitpunkt wieder rein, um zu sehen, wie und wo unsere Zusammenarbeiten wachsen.