Mehr zur Jahrestagung des Arbeitskreises »Thanatologie«
Als massenmediales Thema ist das Lebensende ein häufiger Bestandteil der alltäglichen Informationsflut: Gestorben wird im Krieg, im Krankenhaus, im dienstlichen Einsatz, im hohen Alter, zu früh, nach langer oder kurzer schwerer Krankheit, durch eigene oder fremde Hand usw.
Der thematisierte Tod ist für viele Menschen ein Abstraktum – während zeitgleich nur für wenige der abstrakte Einzelfall einen lebensweltlichen Einschnitt erzeugt. Notwendigerweise ist auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer abstrakt, da sie nicht lediglich von denjenigen betrieben wird, die aktuell von einem Verlustfall betroffen sind. Ob sich aus der Distanz heraus ›adäquater‹ über die sozialen Effekte des Todes diskutieren lässt, ist jedoch strittig. Wie Eva Illouz in ihrem therapiekritischen Buch über die Errettung der modernen Seele unterstreicht, sind emotionale Anteilnahme und rationale Analyse entgegen anderslautender Gerüchte keineswegs Antagonismen. Und überhaupt stellt sich bei empirischer Forschung zum Lebensende die (auch methodologisch relevante) Frage, wie sehr Forscher*innen sich auf die Situationsdefinitionen interviewter Trauernder einlassen, wie sehr sie gefühlsmäßig auf den Besuch in einem Hospiz oder auf die Analyse von Videomaterial zu Tötungsgewalt etc. reagieren dürfen, vielleicht sogar müssen, um die implizierten gesellschaftlichen Konsequenzen der entsprechenden Fallkonstellationen jenseits bloß quantifizierender Betrachtungen nachvollziehen zu können.
In der Konfrontation mit Sterbe- und mit Todesfällen evoziert, wie Thanatolog*innen wissen, der Tod selbst dann, wenn er ein Leben beendet hat, für diejenigen, die sich damit analytisch befassen, Neuigkeiten – und zwar sowohl über den Fall wie auch über sich selbst. Da es sich hierbei um einen Effekt handeln dürfte, der viele Disziplinen betrifft und insbesondere in Soziologie, Psychologie, Erziehungs- und Rechtswissenschaft, (Kunst-)Geschichte und verwandten Feldern auffindbar ist, bietet es sich an, die Jahrestagung des Arbeitskreises Thanatologie explizit einer interdisziplinären Auslotung des Nachdenkens und Recherchierens über den Tod zu widmen.
Die Jahrestagung eröffnet Einblicke in das thanatologische Forschen, um seine Grenzen und Möglichkeiten auf empirischen und theoretischen Wegen nachzuspüren. Auch ein Teil der Gründungsmitglieder des Arbeitskreises sowie Wissenschaftler*innen des TRAUERFORSCHUNGSINSTITUTS widmen sich als Tagungsorganisator*innen mit eigenen Vorträgen dieser Thematik: So berichtet etwa Matthias Meitzler M.A. über das Thema »Auferstanden aus Platinen? Immersive Verwirklichungen des Postmortalen«. Dr. Ekkehard Coenen diskutiert »Die Situation des Suizids. Eine soziologische Betrachtung«. Unsere Institutsleiterin Dr. Miriam Sitter spricht über »Verlustverarbeitung und Realismus – eine zweifelhafte Dyade« und PD Dr. Thorsten Benkel wagt einen Blick auf die »Geisterjagd mit Derrida. Abjekt und hantologisches Motiv«.
Hier finden Sie das Tagungsprogramm: